Dalia Gavish Meine Mutter war ein Beispiel für Aufopferung und Entschlossenheit.
Dalia Gavish wurde 1937 in Haifa als Tochter von Rachel und Avraham Gavish geboren, die während der Fünften Alijah (1931-1939) aus Polen nach Palästina –Eretz Israel - eingewandert waren. Sie stammten beide aus Tarnow in Polen und waren die einzigen Mitglieder ihrer Großfamilien, die Alijah gemacht hatten. Die meisten anderen Verwandten blieben in Polen.
Nach der Geburt von Dalia wollte die Familie ihrer Mutter das neue Baby unbedingt kennen lernen. Rachel und Avraham diskutierten lange darüber, was sie tun sollten, aber schließlich, Mitte 1939, als Dalia gerade 18 Monate alt war, beschloss Rachel, das Kind zu ihrer Familie in Polen zu bringen.
Der Plan war, dass Dalia und ihre Mutter vier Monate lang in Polen bleiben und dann nach Eretz Israel zurückkehren sollten. Aber die Realität sah anders aus.
Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und Polen wurde vom Nazi-Regime besetzt. Deshalb konnten Dalia und ihre Mutter nicht nach Hause zurückkehren. Sie konnten keinen Kontakt zu Avraham herstellen und wurden, wie alle anderen in Polen lebenden Juden, in ein Ghetto gezwungen.
Dalia erzählte, dass ihre erste Erinnerung an die „neue Realität“ – das Leben im Ghetto – aus der Zeit stammt, als sie vier Jahre alt war: „Ich erinnere mich, dass meine Mutter und meine Großmutter mich ständig ermahnten, still zu sein, und ich nicht wirklich verstand, warum. Ich wollte nur mit Sarah spielen, der Tochter der Nachbarn. Warum sollte ich leise sein? Langsam wurde mir klar, dass ich Angst haben musste, und dass dies nicht das Leben war, das ich bisher kannte. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl der Angst, wenn ich die Gestapo-Beamten in ihren schwarzen Uniformen sah und das Geräusch hörte, das sie machten, wenn sie mit ihren schweren Stiefeln über den Bürgersteig liefen.“ Wenn Dalia heute über ihre Mutter spricht, füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie erzählt, als Rachel im Ghetto für die Nazis arbeitete und deutsche Militäruniformen nähte, sie sich nicht eine Sekunde von ihr trennte, sondern immer über sie wachte. Selbst am Arbeitsplatz ihrer Mutter blieb Dalia immer dicht bei ihr und versteckte sich unter ihrem Kleid.
Kurz danach fand das einschneidenste Ereignis statt, an das sich Dalia erinnert. Bis heute ist das für sie ein Wunder des Himmels: „Die Deutschen wollten alle Kinder unter 13 Jahren einsammeln. Heute weiß ich, dass sie vorhatten, sie in den Tod zu schicken. Es wurde später als ‚Tarnower Kinderaktion‘ (im ‚Kinderwald‘) bekannt. Aber meine Mutter versteckte mich, und als die Kapos (die jüdischen Polizisten) an die Tür klopften und nach Kindern suchten, fanden sie mich nicht, und so wurde ich gerettet. Ich muss betonen, dass ich ein sehr diszipliniertes und ruhiges Mädchen war, und ich zweifle nicht daran, dass diese Eigenschaften auch zu meiner Rettung beigetragen haben.“
1943 begannen sich die Dinge für Dalia und ihre Mutter zum Besseren zu wenden. Sie sollten im Rahmen eines Gefangenenaustauschs nach Eretz Israel zurückgeschickt werden. Die Idee war, deutsche Templer gegen britische Staatsbürger auszutauschen. Als Bewohner des Mandatsgebiets Palästina hatten Dalia und Rachel die britische Staatsbürgerschaft. Sie wurden in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht, in eine Abteilung für inhaftierte „ausländische Staatsangehörige“. Dalia erzählte, dass es auch dort große Probleme gab. „Es herrschte schrecklicher Hunger. Ich fragte meine Mutter: ‚Mami, ich habe so einen Hunger, wann kommst du zurück und machst mir ein Hühnchen?‘ Mein Magen knurrte ständig. Die ganze Zeit musste ich mich mit einem Teller Suppe und einer Scheibe Brot zufriedengeben.“
Nach einem Jahr in Bergen-Belsen stimmte Deutschland auf internationalen Druck zu, eine Reihe von Menschen in ein Lager des Roten Kreuzes in Frankreich zu entlassen. Dalia und ihre Mutter gehörten zu denen, die freigelassen wurden. Dort fühlte sich Dalia sicher und wieder wie ein Kind: „Ich erinnere mich, dass ich, als wir im Lager des Roten Kreuzes ankamen, meine Mutter sofort um eine Puppe bat. Ich fragte sie: ‚Mami, wann kaufst du mir eine Puppe?‘ Meine Mutter versprach mir, dass ich eine Puppe bekommen würde, wenn wir nach Hause nach Eretz Israel zurückkehrten.
Es ist wirklich passiert! Etwa ein Jahr später, 1945, kehrten wir endlich nach Hause zurück – nach sechs Jahren! Auf dem Kai im Hafen von Haifa erwartete mich eine Überraschung. Mein Vater stand dort mit einer großen, schönen Puppe! Es war der glücklichste Tag meines Lebens: wieder zu Hause zu sein, an einem sicheren Ort, wieder vereint mit der ganzen Familie. Von diesem Moment an wollte ich erwachsen werden und so sein wie meine Mutter. Meine Mutter war mir immer ein Beispiel für Aufopferung und Entschlossenheit. Sie ist einfach meine Heldin. Trotz allem, was sie durchgemacht hat, stand ich für sie immer an erster Stelle!“
Heute lebt Dalia in Haifa. Sie hat eine große Familie mit Kindern, Enkelkindern und Urenkeln. Sie ist dankbar und überzeugt, dass ihr Leben ein Geschenk für sie ist. Es ist ihr wichtig, uns die Botschaft mit auf den Weg zu geben: „Verpasst keinen Moment in eurem Leben! Das Leben ist ein Geschenk und es ist wichtig, jeden Moment zu nutzen!“