Max Nathans „Ich musste sagen, dass ich ein Waisenkind sei.“
Max Nathans wurde 1937 in Arnheim in den Niederlanden als ältester von drei Geschwistern geboren. Seine Brüder kamen 1942 und 1944 zur Welt, als die Familie während des Zweiten Weltkriegs untergetaucht war. Da Max noch sehr jung war, als der Krieg begann, hat er nur eine einzige lebhafte Erinnerung an die Zeit vor dem Ausbruch des Krieges in den Niederlanden.
Er erinnert sich gut an die Feier zur Goldenen Hochzeit seiner Großeltern, die 50 Jahre lang verheiratet waren. An dieser Feier waren 22 Verwandte aus seiner Familie anwesend. Nur sechs von ihnen überlebten den Holocaust. Die übrigen wurden ermordet, die meisten von ihnen im Vernichtungslager Sobibor.
„1942", sagt Max, „als die Nazis das ganze Land besetzt hatten, merkten meine Eltern, dass die Gefahr für sie, in die Gewalt der Nazis zu kommen, immer größer wurde. Sie beschlossen, mich zur Adoption freizugeben, am besten an eine christliche Familie. Sie waren der Meinung, dass dies die einzige Möglichkeit wäre, mich in Sicherheit zu bringen und zu retten. Dann geschah ein Wunder!
1937, als meine Mutter mich im Krankenhaus zur Welt gebracht hatte, war sie an Tuberkulose erkrankt. Deshalb ließen die Ärzte, die kein Risiko eingehen wollten, meine Mutter und mich im Krankenhaus, bis sie sich erholt hatte. Im selben Zimmer wie meine Mutter lag eine andere Frau: Margritha den Hartog war ihr Name. Zwischen den beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft.
Später, im Jahr 1942, adoptierten mich Margritha und ihr Mann Dirk. Wenn ich heute darüber nachdenke, dann kommt es mir vor, als hätte jemand 1937 die Zukunft voraussehen können.
Als ich bei der Familie den Hartog einzog, wurde ich angewiesen, für den Fall, dass mich jemand nach meiner Herkunft fragen würde, zu sagen, dass ich ein Waisenkind sei und dass meine Mutter bei den Bombenangriffen auf Rotterdam zu Beginn des Krieges ums Leben gekommen sei.
Die Familie änderte auch meinen Namen in Max Klein, ein christlicher Name im Gegensatz zu meinem richtigen, jüdisch klingenden Namen. Sie nahmen mich sogar mit in die Kirche und lehrten mich das Neue Testament.
Die Familie den Hartog lebte in Zetten, einem Dorf etwa 20 Kilometer von Arnheim entfernt. Die Familie war dort sehr bekannt. „Obwohl wir vom Stadtleben abgeschnitten waren, sorgte die Familie dafür, dass alle meine Wünsche und Interessen auch auf dem Bauernhof erfüllt wurden. Zweimal pro Woche kam ein Lehrer auf den Hof, um uns zu unterrichten. Und so war es auch mit dem Friseur. Die Familie sorgte wirklich dafür, dass es mir nie an etwas fehlte.“
Max erzählte, dass die Familie einen großen Bauernhof besaß, auf dem er sehr gerne arbeitete. Er züchtete Hühner und hatte sogar einen eigenen kleinen Garten, für den er verantwortlich war. „Das füllte meinen Tag wirklich aus und ich hatte das Gefühl, alles zu haben, was ich brauchte.“
Während seines Aufenthalts auf dem Bauernhof fühlte sich Max zwei Mal in Gefahr. Er beschrieb diese Situationen: „Die Deutschen riegelten das Dorf ab, um versteckte Juden zu finden. Mein Stiefbruder schmuggelte mich in das Haus unseres Lehrers in dessen Heimatort, wo ich die nächsten Nächte verbrachte, bis die Deutschen abzogen. Das war das erste Mal, dass ich merkte, dass ich in Gefahr war. Das war beängstigend.
Der zweite Vorfall ereignete sich gegen Ende des Krieges. Als die britische Armee begann, die Gegend zu beschießen, versteckten wir uns im Keller des Bauernhofs. Der Beschuss war sehr heftig. Eines nachts schlug eine Granate in eines der Schlafzimmer ein und zerstörte einen großen Teil des zweiten Stocks. Wenn wir nicht im Keller gewesen wären, wären wir wahrscheinlich zu Tode gekommen. Wir hatten großes Glück, dass wir gerettet wurden.“
Im Oktober 1944 gelang es den Briten, den Teil der Niederlande zu befreien, in dem der Bauernhof lag. Im Frühjahr 1945, als der Krieg zu Ende war und die gesamten Niederlande von der Naziherrschaft befreit wurden, war Max wieder mit seiner Familie vereint und lernte seine Brüder kennen, die während des Krieges geboren worden waren.
Der Krieg brachte Max' Eltern zu der Einsicht, dass Europa für sie nicht sicher sei. Sie wollten nach Eretz Israel auswandern. Aber aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage und des niedrigen Alters seines jüngsten Bruders konnten Max' Eltern die Einreise nach Israel erst 1962 verwirklichen.
Max selbst blieb bis 1955 in den Niederlanden. Dann zog er nach Australien, um dort zu studieren. Erst 1969 wanderte Max nach Eretz Israel ein, in den Kibbuz Matzuva, wo er bis heute lebt.
Für Max war es wichtig zu erwähnen, dass er sich immer dankbar gegenüber seiner Adoptiv-Familie gefühlt hat für das, was sie für ihn getan hat. Er setzte sich dafür ein, dass die Hartogs von Yad Vashem die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern" erhielten.
Die Zeremonie selbst fand in Philadelphia statt. Natürlich nahmen Max und seine Familie daran teil. Sie trafen die Menschen, die ihn gerettet hatten. Später brachte er auf einer Reise zu seinen Wurzeln seine ganze Familie zu dem Bauernhof, wo er während des Krieges gelebt hatte. Das machte es ihm möglich, dieses Kapitel seines Lebens zu schließen.
Für Max war es wichtig, das Interview mit einer Botschaft für künftige Generationen zu beenden: „Es gibt nur ein Israel. Ich bin stolz, sagen zu können, dass meine ganze Familie in Israel lebt. Wir sind überall eine Minderheit. Unsere Heimat ist hier!“