Tammy Lavi Auf der Suche nach meiner Familie
Tammy Lavi ist die Tochter von Oizhen (Gedaliah) und Hannah-Gittel Blass und die Schwester von Yerachmiel. Sie ist mit Shlomo Lavi verheiratet, mit dem sie zwei Kinder und sechs Enkelkinder hat.
„Meine Geschichte“, sagt Tammy, „beginnt im Waisenhaus von Lodz, als ich neun oder zehn Jahre alt war. Eines Morgens, während Chanukka 1948, kam eine Frau namens Nina Cunge, um mich nach Eretz Israel zu bringen. Die Betreuerinnen hatten mich am Tag vorher auf die Ankunft meiner „Mutter“ vorbereitet. Das war nach dem Krieg ganz normal, denn jeden Tag kamen Eltern, die überlebt hatten, um ihre Kinder abzuholen und mitzunehmen. Ich war mir sicher, dass das Gleiche jetzt auch für mich geschah: „meine Mutter“ würde kommen und mich abholen. Natürlich war ich aufgeregt! Ich hatte keine Erinnerung an meine Mutter. Sie hatte mich abgegeben, als ich noch ganz klein war.
Tatsächlich traf am nächsten Morgen meine „Mutter" ein – eine Frau namens Nina Cunge. Nina holte mich ab und sagte mir, dass wir nach Eretz Israel aufbrechen würden. Später erfuhr ich, dass sie nicht wirklich meine Mutter war und dass es ihr Ziel war, ein lebendiges Denkmal für ihre eigene Mutter zu schaffen, die im Holocaust umgekommen war. Wir kamen am 1. Januar 1949 in Eretz Israel an. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Fahrt vom Flughafen, von Lod nach Haifa.
Nina wollte, dass ich meinen polnischen Namen Wanda in Tammy, einen israelischen Namen, änderte. Außerdem bat sie mich, alles zu vergessen, was ich noch aus Polen wusste. Das kam mir seltsam vor, aber ich war ein gehorsames Mädchen. Ich erinnere mich, dass ich einmal, als wir in Haifa spazieren gingen, jemanden meinen polnischen Namen „Wanda“ rufen hörte. Natürlich schaute ich mich um und wollte sehen, wer meinen Namen rief. In diesem Moment sagte Nina, meine „Mutter“, zu mir: „Du solltest dich nicht umdrehen und auf jede Stimme hören.“ Das war schon wieder ein bisschen seltsam. Ich verstand nicht, was das Problem war, wenn mich jemand kannte. Noch befremdlicher war, dass wir am Ende jenes Jahres von Haifa nach Jerusalem zogen und ich am Hebräischen Gymnasium eingeschult wurde.
Als wir in Jerusalem lebten, kam ich unter anderem mit der Pfadfinderbewegung in Berührung. Ich ging sehr gerne zu den Pfadfindern. Das war mein Leben. Das Tanzen nach den Übungen gefiel mir noch besser als die Übungen selbst. Einmal hat mir das Tanzen so viel Spaß gemacht, dass ich nicht auf die Zeit geachtet habe und zu spät nach Hause kam. Die Reaktion meiner „Mutter“ war extrem: Sie öffnete mir überhaupt nicht die Tür, und meine Strafe bestand darin, dass ich die ganze Nacht auf der Treppe draußen verbringen musste und darüber nachdachte, was ich getan hatte. Ich fragte mich: „Was habe ich getan? Ich habe gerne getanzt!“ Als der Morgen anbrach, schickte sie mich wie üblich in die Schule, und ich fragte mich erneut, wie eine Mutter sich ihrer einzigen Tochter gegenüber so verhalten konnte.
Meine „Mutter“ Nina hatte eine sehr gute Freundin in Haifa namens Regina. Ich habe Regina immer beneidet, weil sie in meinen Augen symbolisierte, was eine Familie ist. Regina war verheiratet und hatte ein Kind, eine ganze Familie. Einmal fragte ich meine „Mutter“: „Wo ist mein Vater? Was ist mit ihm passiert?“ Diese Frage machte sie sehr wütend. Sie sagte mir, dass er im Krieg gefallen sei und dass ich nicht mehr danach fragen solle. Meine Beziehung zu ihr verschlechterte sich rapide, und in dieser Zeit beschloss ich, nicht länger bei Nina, zu bleiben. Ich bat Regina, mir zu helfen und Nina davon zu überzeugen, mich in einem Kibbuz als Internatsschülerin anzumelden. Regina hat sich sehr bemüht und sie hatte Erfolg. Im folgenden Jahr begann ich, im Kibbuz Beit Alfa zu studieren. Ich war ein Jahr lang dort. Aber ich konnte mich weder mit dem Kibbuz noch mit der Feldarbeit wirklich anfreunden. Nach einem Jahr wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht geeignet sei.
Ich zog in den Kibbuz Ramat HaKovesh. Ramat HaKovesh hat mir sehr gut gefallen. Dort gab es viele vertraute polnische Gepflogenheiten, die mir sehr geholfen haben, mich wohl zu fühlen. Außerdem war die Atmosphäre dort wirklich lustig. Manchmal fuhren wir vom Kibbuz nach Ra'anana, um dort Partys zu feiern. Am Ende dieses Jahres wurde ich zum Militär eingezogen. Ich war sehr aufgeregt! Ich muss darauf hinweisen, dass der Graben zwischen meiner „Mutter“ und mir in diesen Jahren dazu führte, dass ich mich fragte, wie die Beziehung zwischen uns eigentlich wirklich aussah. Ich hatte nie das Gefühl, dazuzugehören und fragte mich immer, wer ich war.
Ich erinnere mich, dass ich mir diese Frage zum ersten Mal stellte, als ich zufällig den Personalausweis meiner „Mutter“ Nina sah. In ihrem Ausweis war sie als Nina Cunge eingetragen, geboren in Lodz, geschieden und 1933 nach Israel eingewandert. Die Angaben ergaben für mich keinen Sinn, denn ich wurde 1939 in Lodz geboren, als Nina angeblich schon in Israel lebte. Als ich den Mut aufbrachte und versuchte, sie danach zu fragen, antwortete sie, dass mich das nichts anginge und es keinen Sinn hätte, darüber zu reden.
Zurück zu meinem Armeedienst: Ich wurde zusammen mit meinen Klassen-kameraden aus Beit Alfa eingezogen. Ich diente auf dem Stützpunkt Ramat David, wo ich Shlomo kennenlernte, der später mein Mann wurde. Als sich unsere Beziehung vertiefte und die Liebe zwischen Shlomo und mir ernst wurde, beschlossen wir, zu heiraten. Als ich Nina telefonisch von unseren Plänen unterrichtete, lud sie mich nicht einmal zum Essen nach Hause ein, sondern in ein Café, wo wir uns wie zwei Fremde gegenübersaßen. Wieder stellte sich die Frage: „Wer bin ich für sie?“ Ich hatte das Gefühl, dass sie mich tatsächlich wie eine fremde Person behandelte!
Shlomo und ich haben geheiratet. Eineinhalb Jahre nach der Hochzeit, als ich meinen ältesten Sohn zur Welt brachte, zeigte Nina zum ersten Mal Interesse an uns. Sie lud uns zu sich nach Hause ein. Ich war froh, dass unsere Beziehung wieder wärmer wurde und begann, mich mit ihr zu treffen, aber nicht nur, um die Beziehung zu erneuern. Ich besuchte sie auch, um die Wahrheit über mich selbst herauszufinden. Zu diesem Zeitpunkt wusste und spürte ich bereits, dass sie etwas vor mir verbarg. Es gab zu viele Fragen. Einmal, als ich nach Haifa reiste, ging ich auf den Talpiot-Markt, um Zwiebeln zu kaufen. Plötzlich kam jemand auf mich zu und sagte: „Ich kenne dich. Du bist Wanda.“ Ich sagte ihr, dass sie sich geirrt habe und dass ich Tammy heiße. Sie sagte mir: „Das stimmt nicht. Ich erinnere mich an dich. Ich war deine Betreuerin im Waisenhaus in Lodz. Wenn du mir nicht glaubst, komm mich besuchen. Ich habe Fotos, die es dir beweisen werden.“ Wow! Das war ein Schock. Ich war fasziniert: Hier war jemand, der etwas über meine Vergangenheit wusste. Ich beschloss, sie zu besuchen, und sie zeigte mir tatsächlich Bilder von mir. Ich war total schockiert! Es war wahr!
Diese Frau erzählte mir noch ein weiteres Detail: Sie sagte, sie erinnere sich, dass ich aus einem Kloster entführt worden war. Das war schon ein echter Knaller, aber sie bewies mir, dass sie die Wahrheit sagte. Das Puzzle begann sich zusammenzufügen. Ich begann zu begreifen, dass ich wirklich nicht die ganze Geschichte kannte. Von da an suchte ich jedes Mal, wenn ich meine „Mutter" Nina besuchte, nach meiner Vergangenheit. Die Frage brannte einfach in mir: Ich wollte wissen, wer ich war. Als ich wieder einmal bei ihr war, musste sie zum Zahnarzt gehen. Das war meine Chance. Endlich war ich allein in ihrem Haus. Ich fing an, überall zu suchen. Ich wusste nicht, was, aber ich wollte einfach etwas finden.
Als ich ihren Zeichentisch verrückte, fand ich zwei handschriftliche Notizen von ihr. Auf dem ersten Zettel stand geschrieben: „Im Kloster Zamość in der Gegend von Lublin, einem Schwesternkonvent.“ Auf dem zweiten Zettel stand: „Czenka Czrenska Stadt in der Nähe von Warschau.“ Das war ein echter Durchbruch, aber ich brauchte noch mehr Informationen. Glücklicherweise wusste ich, dass es einen Priester gab, der im French Karmel in Haifa lebte. Sein Name war Pater Daniel. Ich nahm Kontakt zu ihm auf. Als wir uns trafen, erzählte er mir, dass genau vier Monate zuvor eine Nonne aus eben diesem Kloster zu ihm gekommen war. Er versprach, mir zu helfen, und tatsächlich half er mir. Er schickte eine diplomatische Anfrage an das Kloster in Polen mit der Bitte um Hilfe, falls sie etwas über meinen Fall wüssten.
„Bogumiła“, die Mutter Oberin – ihr Name bedeutet „Gottes Liebling“ – war eine besondere Persönlichkeit, genau wie ihr Name. Während des Krieges rettete sie vier jüdische Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen. Sie sorgte sich so sehr um die Kinder, dass sie keiner der Nonnen erlaubte, die Jungen zu duschen, um ihre jüdische Identität nicht zu verraten (die Jungen waren beschnitten). Während der gesamten Zeit ihres Aufenthalts im Kloster badete sie sie selbst.
Als sie den Brief von Pater Daniel erhielt, rief sie die Nonnen zusammen und fragte, ob sich jemand an ein Mädchen namens Wanda erinnere. Eine der Nonnen antwortete, sie erinnere sich an ein Mädchen mit diesem Namen in ihrer Gruppe. Eine andere Nonne sagte, sie erinnere sich an ein Mädchen mit diesem Namen und sogar daran, dass sie ihr Haar geflochten habe. Eine dritte Nonne erwähnte, dass sie sich an eine Frau erinnerte, die sich immer um Wandas Wohlbefinden sorgte und ihr sogar jede Woche etwas Süßes brachte. Die Nonne erinnerte sich sogar daran, dass die Frau in Hrubieszów gelebt hatte.
Die Mutter Oberin nutzte diese Informationen und schrieb einen Brief an den Pfarrer der Kirche von Hrubieszów. Sie bat darum, zu prüfen, ob eine Frau, die während des Krieges in Zamość gelebt hatte, die Sonntagsmesse besuche (das Kloster befindet sich in Zamość). Der Pfarrer antwortete, dass es tatsächlich eine solche Frau gebe, die die Kirche besuche. Die Mutter Oberin traf sich mit dieser Frau, und das war der Durchbruch. Die Frau hieß Maria. Sie erzählte dem Pfarrer, dass sie während des Krieges in Zamość gelebt und dort eine Jüdin aus dem Ghetto kennengelernt hatte, die Mutter eines Sohnes und einer Tochter. „Wir haben beide für die Deutschen in ihren Küchen gearbeitet“, sagte sie. Nachdem sie sich angefreundet hatten, erzählte ihr die Jüdin, dass sie ursprünglich aus Włocławek stammten und von den Nazis mit dem Zug ins Ghetto geschickt worden waren. Die Jüdin war schwanger, und während der Fahrt kniete sie nieder, um ihr Kind zu gebären. Ihr Mann flehte die Nazis an, den Zug anzuhalten, damit die Geburt in Ruhe vonstattengehen könnte. Nach vielen Schreien und Bitten hielt der Zug schließlich an. Die Nazis brachten sie aus dem Zug, aber ihr Mann und ihr Sohn durften nicht aussteigen. Als sie anfing zu schreien: „Das ist mein Mann, das ist mein Sohn!“, warfen sie ihren Sohn aus dem Zugfenster. Ihr Mann blieb im Zug, und dann fuhr der Zug ab. Diese jüdische Frau brachte am 15. Dezember ein Mädchen zur Welt. (Tammy: „Heute weiß ich, dass dieses Mädchen ich war, und die Frau in der Geschichte war meine Mutter“).
Die Frau aus Zamość fuhr fort, der Oberin die Geschichte meiner Mutter zu erzählen. Meine Mutter wusste, dass sie Verwandte in Warschau hatte, also ging sie dorthin, und tatsächlich half ihre Familie ihr und besorgte eine Wohnung für sie, aber es war sehr schwer für sie ohne ihren Mann und ihren Sohn. Da der Krieg gerade erst begonnen hatte, war es noch möglich, Briefe zu schreiben. Sie fand heraus, wo die beiden waren und schickte ihnen einen Brief. Sie erhielt sogar die Antwort, dass sie im Ghetto von Zamość waren und es ihnen gut ging. Meine Mutter beschloss, ihren Mann und ihren Sohn wiederzusehen, und so fuhren wir zum Ghetto in Zamość, wo sie auch Maria traf, die Polin, die mit ihr in der Küche gearbeitet hatte. Sie wurden gute Freundinnen.
Leider hat meine Mutter meinen Vater nie wiedergesehen. Sie erfuhr, dass mein Vater in ein Lager gebracht und am ersten Tag mit einer Gruppe von zehn Männern von den Nazis zur Zwangsarbeit geschickt worden war. Es kamen nur acht lebend zurück; zwei kehrten nicht zurück. Einer der beiden war mein Vater.
Und so vergingen die Monate. Meine Mutter Hannah spürte, dass sich die Situation der Juden jeden Tag verschlechterte. Nach und nach deportierten die Nazis ihre gesamte Großfamilie, und meiner Mutter wurde klar, dass sie und ich als Nächste an der Reihe kommen würden. Meine Mutter bat Maria, mich zu retten und sich um mich zu kümmern. Maria war zunächst sehr verängstigt, aber schließlich willigte sie ein. Ich möchte erwähnen, dass meine Mutter eine sehr kluge Frau war. Als sie sich von mir verabschiedete und mich Maria übergab, sorgte sie dafür, dass mein Name in meinen Papieren geändert wurde. Der Nachname meiner Mutter war Czarny, ein jüdischer Name, und der Nachname meines Vaters war Blass, was ebenfalls wie ein jüdischer Nachname klingt. Damit die Nazis nicht erkennen konnten, dass ich jüdisch war, änderte sie meinen Namen in Chernsky. Und warum Chernsky? Weil es in Polen einen Helden gab, der Czernski hieß. Aber auch der Name Czarny, der Mädchenname meiner Mutter, ist in diesem Namen enthalten.
Maria nahm mich mit zu sich nach Hause und sagte mir, ich solle das Haus nicht allein verlassen. Zu dieser Zeit war ich ein kleines Mädchen von drei Jahren. Eines Tages konnte ich meine Neugierde nicht zähmen und ging hinaus. Offenbar sah mich einer der Nachbarn und meldete mich der SS. Sie kamen zu Marias Haus. Maria sagte, ich sei ihre Nichte. Glücklicherweise glaubten die SS-Soldaten ihr und wir waren gerettet, aber von diesem Moment an hatte Maria große Angst und beschloss deshalb – es war 1943 –, mich wegzugeben.
Maria schrieb einen Zettel, auf dem stand, dass ich mit Weihwasser getauft worden sei und man sich um mich kümmern solle. Damit jeder, der mich fand, dachte, ich sei ein christliches Mädchen, hängte sie mir ein Band mit einem Kreuz um den Hals und ließ mich in der Nähe des Klosters in Zamość als verlassenes Kind zurück, unter dem Namen Wanda Maria. Die Mutter Oberin und die anderen Nonnen nahmen mich mit ins Kloster. Ich war während des gesamten Krieges im Kloster. Ich erinnere mich nicht an viel, denn ich war erst vier oder fünf Jahre alt. Aber ich erinnere mich an die langen Gänge. Ich erinnere mich auch an die graue Kleidung der Nonnen. Die Nonnen waren unglaublich! Sie haben sich immer umarmt, immer gelächelt. Uns hat es nie an etwas gefehlt. Es ist seltsam zu sagen, aber ich habe den Krieg ohne Sorgen überstanden. Heute weiß ich, dass es noch ein anderes jüdisches Mädchen im Kloster gab, das älter war als ich. Sie lebt jetzt in der Nähe von mir, im Stadtteil Vardia in Haifa.
Die Situation nach dem Krieg war wirklich schwierig. Viele verlassene Kinder streiften durch die Straßen. Das Kloster appellierte an die örtliche Bevölkerung, die Kinder, die während des Krieges im Kloster gelebt hatten, zu adoptieren, um Platz für die verlassenen Kinder zu schaffen, die nach dem Krieg kamen. So kam eines Tages eine Frau aus Izbica, Frau Schimanska. Sie und ihre Familie adoptierten mich. Sie waren eine sehr arme Familie. Wir lebten in einer Ein-Zimmer-Hütte: Ich schlief bei der Mutter, und der Vater schlief bei seinem Sohn.
Ein paar Monate später kamen zwei Männer zu ihrer Hütte, und ich hörte Frau Schimanska, die Frau, die mich adoptiert hatte, weinen. Ich war neugierig. Ich begann zu lauschen und hörte, wie die Männer zu Frau Schimanska sagten: „Sie gehört uns. Wir müssen sie mitnehmen“. Diese beiden Männer waren Mitglieder der sogenannten „Koordination“. Die Koordination war eine jüdische Organisation, die sich um die Rettung der jüdischen Kinder kümmerte, die den Krieg überlebt hatten und in christlichen Heimen und Klöstern lebten. Frau Schimanska wollte nicht, dass ich mit ihnen gehe. Wir hatten eine sehr enge Beziehung, aber wir hatten keine andere Wahl. So fand ich mich in den Händen der Koordination wieder, die mich in das Waisenhaus in Lodz schickte."
Tammy kommt auf die Ergebnisse von Pater Daniels Nachforschungen zurück: „Die Antworten, die ich erhielt, verblüfften mich, und ich wartete auf die Gelegenheit, nach Polen zu reisen, um die Mutter Oberin und Maria zu treffen. 1988 lernte ich eine junge Historikerin namens Eva kennen, die über 'Klosterkinder' im Holocaust forschte, und mit ihrer Unterstützung flog ich zum ersten Mal nach Polen. Wir trafen uns mit Frau Schimanska, einer alten Frau, in Izbica. Eva, die Historikerin, fragte sie, ob sie sich an mich erinnere. Sie antwortete: „Natürlich, sie war meine Tochter. Wie könnte ich das vergessen?“ Das war eine so aufregende Begegnung! Ich lernte eine ganz einfache Frau kennen, die ein großes Herz hat. Von dort aus fuhren wir zum Kloster. Es war schrecklich aufregend! Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Ein unvergesslicher Tag!
Als ich im Kloster ankam, wartete Bogumiła, die Mutter Oberin, schon auf uns. Draußen umarmte sie mich so fest! Wahnsinn! Plötzlich riefen einige Nonnen: „Unsere Wanda, unsere Wanda!“ Wir gingen in den Speisesaal. Ich hatte für Bogumiła Datteln aus Eretz Israel und eine neue Uhr mitgebracht. Sie freute sich über die Datteln aus dem Heiligen Land, segnete sie und aß sie mit Begeisterung. Im Gegenzug schenkte sie mir ihre Uhr. Bis heute habe ich sie bei mir. Sie gab mir auch die Kreuzkette zurück, die ich umhatte, als ich im Alter von drei Jahren zum ersten Mal ins Kloster kam, sowie einige persönliche Dokumente, die sie über die Jahre aufbewahrt hatte.
Seit 1988 bin ich viele Male nach Polen gereist und habe Bogumiła jedes Mal besucht. Einmal habe ich sie sogar mit einer Jugenddelegation besucht. Sie wollte mit den Jugendlichen sprechen und fragte mich, ob ich übersetzen könne. Natürlich sagte ich ja. Sie sagte: „Ich möchte auf euch zugehen und euch umarmen, einen nach dem anderen. Ihr seid unsere Brüder und ich liebe euch!“ Am Ende des Gesprächs sangen die Nonnen "Haveinu Shalom Aleichem" (Wir haben den Frieden über euch gebracht) für uns. Es war sehr aufregend, und plötzlich bildete sich eine lange Schlange der Jugendlichen, die die Mutter Oberin umarmten. Sie war so aufgeregt!
Als ich von meiner ersten Reise aus Polen zurückkehrte, erzählte ich am Holocaust-Gedenktag meine Geschichte und sprach im Radio über meine „Reise zu meinen Wurzeln“ nach Polen. Am Ende bat ich alle, die etwas über meine Geschichte wussten, mich anzurufen, und ich hinterließ meine Nummer. Überraschenderweise erhielt ich einen Anruf. Jemand rief an und gab sich als meine Cousine aus. Sie erzählte mir, dass wir ursprünglich aus Włocławek stammten und dass sie im Zug ins Ghetto gewesen sei. Sie erinnerte sich daran, wie meine Mutter aus dem Zug geholt wurde, als sie sich zur Geburt hinkniete. Noch in derselben Woche besuchte ich sie, um mehr zu hören und mehr Details zu erfahren. Sie erzählte mir, dass mein Vater einen Bruder hier in Israel hatte, und sie sagte mir, dass sein Familienname Blass wäre.
Von diesem Moment an begann ich überall zu suchen, wo ich konnte. Schließlich fand ich jemanden, der mir half, die Telefonnummer meiner Cousine zu finden. Der Bruder meines Vaters war bereits verstorben. Meine Cousine konnte es nicht fassen. Sie hatte gehört, dass meine ganze Familie, einschließlich mir, umgekommen waren. Ich bat um ein Treffen mit ihr und wir trafen uns noch am selben Tag. Das war eine sehr seltsame Begegnung, aber ich fand heraus, dass ein weiterer Bruder meines Vaters nach Israel gekommen war. Der erste Bruder kam 1925 und der zweite 1933. Ich war so aufgeregt, eine Familie zu haben! Am nächsten Tag brachte sie ihre beiden Schwestern mit, und sie hatten Fotos von der Familie dabei und weckten einige Erinnerungen bei mir.
Im Jahr 1991 heiratete meine erste Tochter. Das war ein sehr großes Ereignis für mich, und zwar nicht nur wegen der Hochzeit selbst, sondern weil zum ersten Mal die Familie von meiner Seite dabei war. Es hat mich sehr gefreut, dass sie bei mir waren und mich unterstützt haben! Je mehr ich über mich herausfand, desto intensiver suchte ich, bis ich die Originaleinladung zur Hochzeit meiner Eltern in die Hände bekam. Ich zitterte, als ich sie anfasste: Ich berührte etwas, das meine Eltern berührt hatten. Ich konnte auch meinen ursprünglichen Namen herausfinden – Margalit Blass – und vor allem konnte ich das Haus finden, in dem meine Eltern gelebt hatten. Ich erinnere mich, dass ich, als ich das Haus zum ersten Mal betrat, so aufgeregt war. Das Haus sah aus, als hätte sich im Laufe der Jahre nichts verändert. Es war ein unbeschreibliches Gefühl! Als ich die Treppe hinaufging, spürte ich, wie meine Beine zitterten!
Zu diesem Zeitpunkt spürte ich, dass ich das Puzzle fast vollständig zusammengesetzt hatte. Mir fehlte nur noch ein Stück. Ich wusste, was mit meinem Vater geschehen war, und ich hatte gehört, dass meine Mutter in Belzec ermordet worden war, aber ich wusste nicht, was mit meinem Bruder geschehen war. Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Eines Tages, auf einer der Jugenddelegationsreisen, die ich nach Polen begleitete, stellte mir eine Schülerin die Frage nach ihm. Ich sagte ihr, dass ich es nicht wüsste. Sie ging zum Gedenkbuch der Ermordeten und machte sich auf die Suche. Schließlich fanden wir den Namen Blass Yerachmiel, und mir wurde klar, dass mein Bruder ebenfalls ermordet worden war, und damit fand ich das letzte Puzzlestück.
Im Jahr 2016 veranstaltete das Ghetto Fighters Museum eine Konferenz mit Klosterkindern und lud drei Nonnen ein. Ich hatte darum gebeten, die Mutter Oberin einzuladen. Schließlich wurde es Wirklichkeit und Bogumiła kam hierher, nach Israel. Ich habe sie eine Woche lang beherbergt. Wir gaben ihr das Gefühl, Teil unserer Familie zu sein. Sie sprach im Ghetto Fighters Museum und sagte, wie besonders diese Woche für sie war. Kurz darauf erhielt ich einen Brief aus dem Kloster, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Mutter Oberin verstorben war. Ich war froh, dass ich den Kreis schließen und ihr etwas von dem zurückgeben konnte, was sie mir gegeben hatte, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war im Vergleich zu dem, was sie mir gegeben hatte.“